Verschiedene Sprecher - verschiedene Sprechstile und Sprecherjobs

Offsprecher, Werbesprecher, Synchchronsprecher, Moderator, Hörspieler, Claim-Sprecher

Sprecher sein ist mehr als ein Beruf

«Sprecher» ist ein wunderbarer Beruf. Und so vielseitig! Einige Sprecher bewegen sich bewusst auf ihrem ausgesuchten Gebiet, andere tanzen auf mehreren Hochzeiten und bieten verschiedene Sprechstile an. Hier eine Auflistung der verschiedenen Sprecherberufe mit nicht ganz ernst gemeinter Erklärung der einzelnen Sprechertypen.

Der Radio-Moderator

Der Radiomoderator lebt in einer ganz eigenen Welt. Täglich grüsst er aus dem Äther, versprüht Lebensfreude und lässt es sich nicht anmerken, dass ihm der Sender-Slogan zum Hals raushängt. Der Radio-Moderator kommt meist im Rudel vor, empfindet sich selbst jedoch als einmalig. Sein Sprechstil beruht auf der absoluten Verliebtheit in seine eigene Stimme, so spielt er auch gerne gekonnt mit dem Nahbesprechungseffekt der Grossmembranmikrofone. Meist hat er einen guten Draht zum Sende-Techniker und meldet sich oft bei ihm mit den Worten "Die anderen haben im Mik-Preset viel mehr Wärme und Tiefe - kannst Du das bei mir noch nachjustieren?". Allgemein lebt der Radio-Moderator in seiner eigenen Scheinwelt und glaubt, die ganze Stadt - wenn nicht das ganze Land - spreche gerade über das Fahrrad, das er heute morgen in seiner Show verlosen durfte.

Der Off-Sprecher

Der Offsprecher spricht meist etwas längere Texte als beispielsweise der Werbesprecher. Fliesstext kann der Off-Sprecher mit Punkt und Komma ohne Versprecher darbieten. Über die Jahre hat der Off-Sprecher seinen ganz eigenen Sprech-Stil entwickelt - so wie er spricht sonst niemand. Glaubt er. Es kann vorkommen, dass sich der Off-Sprecher leicht in Rage versetzen lässt, wenn man ihn bittet, etwas mehr auf Punkt zu sprechen, oder diese und jene Textpassage noch etwas mehr herauszuheben. Meist erscheint der Offsprecher mit einer Umhangmappe aus braunem Leder im Tonstudio und setzt die Brille auf, bevor er sich dem vorgesetzten Stoff widmet - der meist wiedermal unter aller Kanone getextet ist und es für ihn deshalb noch einiges anzupassen gibt. Falls der Offsprecher noch auf Text oder Kunden-Freigabe warten muss, trinkt er gerne Espresso ohne Weiss und widmet sich seinem Buch, welches er aus seiner Ledertasche zieht, nachdem er einen Blick in seine Agenda geworfen hat - und diese mit einem leichten Seufzer wieder verschwinden lässt.

Der Werbe-Sprecher

Der Werbesprecher ist sich gewohnt, mit seinem VW Polo einen Parkplatz zu suchen, um gleich danach einen Spot für einen Maybach oder zumindest einen Jaguar zu sprechen. Gerne hat man ihn, wenn er nach der Aufnahme sofort wieder verschwindet und auf persönliche Anekdoten aus seinem stressigen Leben verzichtet. Der geübte Werbesprecher möchte nach den Aufnahmen sowieso gleich wieder los, muss er doch noch ins nächste Studio auf der anderen Stadtseite. Der Werbesprecher teilt gerne mit, dass er selbst eigentlich gar kein Radio und Fernsehen konsumiert, empfindet seine Stimme abends im Werbeblock dann aber doch irgendwie dezenter abgemischt als die seiner Kollegen. Der Werbesprecher ist die Marken-Schlampe schlechthin, auch lacht er sich heimlich ins Fäustchen, wenn er selbentags für zwei Konkurenzmarken im Studio war und es niemand bemerkt hat. Er ist sich gewohnt, locker mal dreissig verschiedene Takes rauszuhauen und weiss spätestens beim achtundzwanzigsten, dass eine Mischung aus Take 1 und 3 verwendet wird. Ist er männlich, kennt er lediglich die Vornamen seiner weiblichen Endkunden, diejenigen der Männer kann er sich meist nicht merken. Wobei er es in der Werbebranche im Allgemeinen und bei Agentur-Mitarbeiterinnen im Speziellen bei der weiblichen Kundschaft sowieso einfach hat: Die heissen alle Jessica, Stefanie, Susanne, Lara, Jeannine oder Sofie. Alle. Immer.

Die Station-Voice

Die Stationvoice kommt meist einmal die Woche vorbei. Oder gar nie. Weil er sich aus seinem eigenen Studio oder einem Partner-Studio zum Sender einlinkt. Eigentlich möchte er Dinge sprechen wie 'heute, 20.15 Uhr' - wird beim Rundfunk jedoch vor allem für ausgeklügelte Station-Claims und Promotionen eingesetzt. Von allen Sprechern hat er am meisten Mysterie-Potenzial: Dauernd hört man ihn, nie kriegt man ihn zu Gesicht. Beim Sender selbst mag man ihn nur bedingt - seine Dauerpräsenz kann teils auch ganz schön nerven. Stimmlich bewegt er sich im monotonen Bass-Bereich, worauf er auch sehr viel Wert legt. Für Sender-Events bekommt er nie eine Einladung, wünscht sich dies aber zutiefst - und würde dann aber doch nicht hingehen. Zur Weihnachsfeier des Senders wird er nur in seltenen Fällen eingeladen - meist geniesst es das Team dann, wenigstens einmal im Jahr Ruhe von dem Typen zu haben. 

Der Trailer-Sprecher

Der Trailersprecher beim Fernsehen ist ne coole Socke. Irgendwie unnahbar, aber eigentlich ein ganz lieber Kerl. Auf Anfragen des Teams, mal eben kurz den Telefonbeantworter zu besprechen, reagiert er je nach Tagesverfassung. Spricht er nicht für einen Sender den Blockbuster-Programmtipp, hört man ihn meist im Einsatz für Movietrailer im Werbeblock. Oder im Kino - wo er selbst übrigens fast nie anzutreffen ist. Er mag keine Popcorn-Knabber-Geräusche. Sonst ist er eigentlich mit wenig zufrieden: Er braucht lediglich seinen eigenen Kopfhörer und hin und wieder ein wenig Lob und Zuspruch von der anderen Fensterseite. Diskussionen über Don Lafontaine bei Kippe und Kaffee vor oder nach den Aufnahmen hängen ihm zum Hals raus, auch mag er den Vergleich mit der Voice of God nicht. Er klingt nicht wie jemand, er ist jemand. 

Der Synchron-Sprecher

Der Synchronsprecher stand - meist gestern Abend - noch irgendwo auf der Bühne. Manchmal meint er, dass auch das Synchron-Atelier eine solche ist. Vielleicht bewegt er sich auch deshalb so gekonnt darin: Anders als auf der Bühne, braucht der Synchronsprecher im Atelier keine langen Texte auswendig lernen. Ein Blick auf den Take, meist liegt dieser zwischen ein paar Worten und höchstens drei Sätzen, einmal O-Ton hören - und zack: Sprechen. Das Kurzzeitgedächnis des Synchronsprechers wird während seinem Arbeitstag derart beansprucht, dass leider sogar sein Langzeitgedächnis darunter leidet: Er kann sich bereits beim Feierabend-Bier nicht mehr daran erinnern, welche Filme oder Figuren er heute synchronisiert hat. Über die Jahre schlich sich bei ihm ein gewisses Gefühl der Einsamkeit ein - überhaupt war früher alles noch gemütlicher, familiärer und besser.

Der Hörspieler

Der Hörspiel-Sprecher ist eigentlich Schauspieler. Gerne erzählt er deshalb auch von seinen Erfolgen als solcher. Oder über Gagen. Meist waren die so schlecht, dass er sein Zubrot in der verhassten Werbung verdienen musste - ein bisschen schämt er sich dafür, ein bisschen stolz ist er darauf jedoch auch. Obwohl er dies nie zugeben würde. Eine regelrechte Plage für ihn ist, dass alle Leute seine Tiefkühlpizza-Werbung im Fernsehen gehört haben, ihn jedoch niemand für seine letzte Hörspiel-Hauptrolle lobt, obwohl diese letzte Woche im nationalen Rundfunk zu hören war. Er ist schon so lange dabei und hat schon so viel erlebt, dass er locker als MacGyver des Sprechens durchgeht. Der Hörspiel-Sprecher mag die Teamarbeit, ist er sich - anders als seine Sprecher-Kollegen - doch die gemeinsame Aufnahme im Tonstudio gewohnt und ist nebenbei auch Meister im Umblättern, ohne dabei auch nur das geringste Geräusch zu machen. Dies hat er nicht in einer Umblätterschule, sondern bereits beim ersten Engagement als junger Sprecher von den alten Hasen der Branche gelernt: Die Blitze die aus den Augen derer kamen, als er ihnen ihren perfekten Take verhauen hat, begleiten ihn manchmal auch heute noch in seinen Albträumen.

Der Hörbuch-Sprecher

Der Hörbuchsprecher ist ähnlich wie ein Adler. So wie der Adler auch ein Vogel ist, ist der Hörbuchsprecher auch - ein Sprecher. Aber ein sehr einsamer ebensolcher. Er kommt, wie der Offsprecher, meist mit einer braunen Ledermappe ins Tonstudio. Bevor er diese Zuhause umschnallte, zog er das Hemd wieder aus und entschied sich dann eben doch für das schwarze Sweatshirt. Wie immer. Die Termoskanne mit Ingwer-Limetten-Gebräu ist sein bester Freund und Begleiter. Nebst seinem Laptop, auf welchem er gerade seinen ersten Bestseller schreibt. Autoren-Lesung, dort soll's hin. Von allen Sprechergattungen gehört der Hörbuchsprecher zur ruhigsten Spezies seiner Art. Er wirkt stets ausgeglichen und in sich ruhend - und lässt sich nicht anmerken, dass er sich schon tierisch auf die letzte Seite des Buches freut. Wie alle seine Kollegen, ist auch er sich seiner Rolle als Mitglied der Königsdisziplin des Sprechens bewusst, würde sich dies jedoch nie anmerken lassen. Im Studio liest er gerne Dinge, die er privat niemals konsumieren würde. 

Der Claim-Sprecher

Der Claimsprecher mag seinen Stundenlohn, ist er doch derjenige Sprecher, der in kürzester Zeit am meisten Kohle verdient. Nicht weil er der beste ist - wie er meint - sondern weil er schlicht am wenigsten Text darbietet. Manchmal kommt er für drei Worte ins Studio. Manchmal dauert dies dann aber doch länger als ihm lieb ist, obwohl er sich gewohnt ist, viel Zeit mit Warten und Zuhören zu verbringen. Er kennt diejenigen Auftraggeber, die ihm gerne vorsprechen wie sie es denn haben möchten genauso gut wie diejenigen, die mal etwas total Verrücktes und Werbe-untypisches produzieren möchten. Er weiss aber auch, dass schlussendlich dann doch wieder die Version genommen wird, die er als ersten Take ablieferte. Dafür wird er geholt, und das kann er einwandfrei. Der Claim-Sprecher geniesst anfänglich sein Leben als solcher und lebt im Glauben, am Ziel seiner Sprecherträume angekommen zu sein. Bis er sich nach inhaltlicheren Texten sehnt und dann mühsam versucht, sich auch in anderen Sprecher-Genre zu etablieren. Falls dies nicht in seinem gewohnten Tempo gelingt, eröffnet er ein kleines Café. Nicht irgendeines, sondern "Das Café".

Text: Dominik Zeltner (die wohldosierte Mischung aus eben Gelesenem)

Sie sehen: Wir Sprecher haben alle einen an der Klatsche. Sie möchten ihre Meinung mitteilen? Ich freue mich auf Ihren Kommentar. Moment, und... läuft.

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