Sprecher werden: Die Ausbildung zum Sprecher

Schauspielschule, Sprecher-Coach oder Selbst-Studium?

Wie wird man Sprecher?

Wenn Sie das alles gar nicht lesen wollen, sondern schlicht die Antwort auf die Frage möchten: "Auf Ihrem individuellen Weg". Punkt. Denn es gibt nicht "den Weg" - hier erzähle ich Ihnen von meinem.

Als ich anfing als professioneller Sprecher zu arbeiten - oder versuchte, erste Aufträge zu ergattern - hörte ich seitens Tonstudios oft: Wir arbeiten meist mit Schauspielern zusammen - hast Du eine Schauspielausbildung?

Was anfänglich noch an mir abprallte (sie sagten ja "oft" und nicht "ausschliesslich" - ich sah meine Chance im "selten"...), fing an, mit der Zeit an mir zu nagen. Muss man, um Sprecher zu werden zuvor eine professionelle Schauspielausbildung absolvieren? Ganz klar: Jein. Denn einerseits bin ich einer der lebenden Beweise, dass dem nicht so ist - andererseits gibt es Sprecher-Genre, die wirklich von mehrheitlich ausgebildeten Schauspielern bedient werden. Beispielsweise beim Synchronsprechen, teils auch bei der Besetzung für Hörbücher.

Kürzlich sagte mir eine befreundete Toningenieurin, dass jedoch auch Schauspieler-Sprecher so ihre Marotten haben, die nur schwer wegzutrainieren sind. Ähnlich wie bei ausgebildeten und geübten Moderatoren oder Nachrichtensprechern - hier lesen Sie bei Interesse gerne etwas mehr darüber.

So kann ich also lediglich aus meiner ganz persönlichen Erfahrung berichten, und Ihnen von meinem Weg zum professionellen Sprecher erzählen: Angefangen hat es bei mir in der Kindheit - ich fragte meine Eltern nicht, ob ich einen Film gucken darf, ich fragte stattdessen "darf ich Reklame gucken?". Da hat sich in mir wohl etwas eingebrannt, denn wie hier beim Sprecher-Tipp 2 beschrieben, hat sich mit dem Anhören und Imitieren von Werbung mein Weg zum Werbe-Sprecher wohl vorgebahnt. Cartoons und Trickfilme kamen hinzu, und so mag ich auch heute noch die Stimmarbeit für Trickstimmen, für Hörspiel und gerne auch für Stimmgebung für Figuren.

Später kam dann irgendwann der Stimmbruch. Als Pfarrerssohn wuchs ich im Pfarrhaus auf und hatte - wie alle aus unserer Familie - auch den Job des Telefonisten. Es häufte sich, dass mir fromme Schäfchen am Telefon ihr Leid klagten, in der Annahme, sie seien mit dem Pfarrer verbunden. Spätestens da habe ich bemerkt, dass man mit Stimme Emotionen wecken und Bilder erzeugen kann. Und das hat mir irgendwie ziemlich gut gefallen.

Meine Ausbildung führte mich ins Gastgewerbe, wo ich oft auf meine Stimme angesprochen wurde. So ergeht es Ihnen vielleicht auch und Sie kennen die Mischung aus Schmeichelgefühl und nicht recht damit umgehen können... Während der kaufmännischen Ausbildung ergab sich die Möglichkeit, für eine Jugendfernsehsendung als Jungredaktor zu amten. Meinen ersten und einzigen Beitrag produzierte ich als Portrait über einen blinden Jungen - diese Reportage habe ich untypisch ohne Offsprecher produziert. Ein Detail am Rande, welches im späteren Verlauf dieses Beitrags nochmals aufgegriffen wird.

Später landete ich bei einem schweizer Privat-TV, bei welchem ich als Redaktor und Realisator diverse Projekte und Sendungen begleitete. Ich kam das erste Mal in direkten Kontakt mit professionellen Sprechern. Und war begeistert - vor mir stand der menschgewordene Traumberuf. Da war mir klar: Ich werde Sprecher.

So fragte ich in der OnAir Promotion Abteilung des Senders nach, ob ich mal zum Sprecher-Casting vorbei kommen dürfe, da ich davor erste Erfahrung für einen Radiospot (den hab ich noch heute auf meiner Platte als mp3 - irgendwann hau ich den hier mal raus!) machen durfte. Der Typ aus der Technik gab mir die Chance - und es war furchtbar. Der Leiter der Trailer-Abteilung glaubte aber trotzdem irgendwie an mich, oder vielleicht war er auch nur erstaunt von meiner Hartnäckigkeit. Und so bekam ich den Schlüssel für die Vertonungskabine des Senders und durfte während Randzeiten meine Test-Texte aufnehmen und mich so selbst ausbilden. Hin und wieder kam der Chancen-Geber vorbei und gab mir Feedback - und dann: Wurde der Sender geschlossen.

Also war ich plötzlich arbeitslos. Und bewarb mich deshalb beim Radio um ein Praktikum, was ich zuvor schon so ziemlich bei jedem Sender der Schweiz vergeblich versuchte. Es klappte - wohl auch weil ein ehemaliger Mitarbeiter des TV-Senders nun bei eben diesem Radio mit am Drücker sass. Ja, ich bin ein Glückskind - jedoch auch ein hartnäckiges Kerlchen und ich gab niemals gleich auf, wenn etwas mal nicht klappte. Und folgte meinem Traum zum Traumberuf Sprecher.

Beim Radio durchlief ich verschiedene Arbeitsbereiche und kam nach etwa einem halben Jahr in der Moderation (mit Ferienvertretungen in der Morgenshow und Wochenend-Einsätzen - zweitere wollte nie jemand haben) "zurück" zur OnAir Promotion, zum Sende-Layout. So produzierte ich wie wild Trailer und Spots und lernte sehr viel on the job. Das heisst, ich konnte mir wenige Minuten nach Fertigstellung einer Produktion gleich live onAir anhören, was ich soeben produzierte - welch herrlicher Lernprozess (für mich - danke an dieser Stelle allen Zuhörern, und auch ein kleines "sorry"). Während meiner Zeit beim Radio habe ich dann angefangen, für Produktionshäuser zu sprechen, TV-Werbung erlebte dank lokalen Stationen gerade einen regelrechten Boom.

Die Arbeit beim Radio war dann irgendwann zu viel des Guten und der Lohn zu viel des Schlechten - und so beschloss meine Frau und ich, Geschätspartner zu werden und uns als Sprecher selbständig zu machen. Wie es mit meiner lieben Frau weiter ging, lesen Sie hier.

Damals war ich beim Radiosender derart oft OnAir, dass ich mir einblidete all diese Jobs auch als Selbständiger zu haben und mich locker über Wasser halten zu können. Die Welt hat doch auf einen 22jährigen Sprecher gewartet!

Nein. Hat sie nicht.

Dank der jugendlichen Naivität hatten wir den Schritt gewagt - und ich bin noch heute dankbar dafür. Die ersten zwei Jahre war nämlich ziemlich gar nichts an Aufträgen reingekommen (Ja Mami, heute kann ich das ja sagen...). Aber immer gerade so viel, dass es reichte uns einzureden, dass es schon noch einschlagen wird. Kurz: Ich blieb dran, lernte weiter, meldete mich weiter bei Studios und Sendern und so wuchs langsam aber stetig mein Kundenstamm. Einige Kunden der ersten Stunde gehören auch heute noch zu meinen Belieferten - was für sie spricht, aber auch für mich - so viel Eigenlob darf sein.

Ich bin nun also Sprecher, ein Sprecher ohne Schauspielausbildung. Ob ich es heute bereue, keine solche absolviert zu haben? Vielleicht, ein bisschen - ja, aber ich hätte diesen wunderbaren Weg so nicht erleben können, wie ich ihn eben erlebt habe und nach wie vor erleben darf. Wie weiter oben versprochen, nun zurück zum erwähnten Kurz-Dok über den blinden Jungen, dessen Beitrag ohne Offsprecher auskam: Es geht eben auch ohne. Wichtig ist, wie Sie Ihr Vorhaben realisieren möchten und mit Ihrem ganz individuellen Setting umgehen! Und wie hartnäckig und geduldig Sie dabei sind.

Bei allen Sprecher-Tipps die ich Ihnen gerne kostenlos weitergebe: Es gibt nicht "den" Weg zum Sprecher. Heute sieht die Welt anders aus als damals, als ich losgelaufen bin. Ich war einer der ersten Sprecher in der Schweiz, der aus dem eigenen Studio anlieferte - was heute auch hier in der Schweiz gang und gäbe ist. Die Sender und Agenturen haben heute eigene Produktionsabteilungen im Haus - was früher undenkbar und nicht rentabel war.

Der Kuchen ist gewachsen, dies mal als motivierendes Zeichen für das Erreichen Ihres Ziels! Es braucht heute mehr professionelle Sprecher denn je, und es wird auch in Zukunft professionelle Sprecher brauchen, Stimmen-Software hin oder her (Sogar Siri sagt auf die Frage, ob TTS/ATS-Stimmen die Sprecher ersetzen werden "ich weiss es nicht"). Vielleicht ist es für Sie der richtige Weg, es auch alleine zu versuchen? Vielleicht sind Sie youtube-Junkie und es fällt Ihnen am einfachsten, im Selbststudium zu lernen? Vielleicht sind Sie noch jung und unterhalb der Altersgrenze zur Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule - oder Sie informieren sich über die heutigen Ausbildungsmöglichkeiten bei einer Sprecher-Schule, besuchen einen Sprecher-Workshop, finden online ein Sprecher-Seminar für Einsteiger oder eine Sprecher-Akademie, die neue Stimmen aufnimmt?

Googeln Sie mal rum, heute ist das Netz voll von Tipps und Adressen, die Ihnen Ihren möglichen Weg aufzeigen könnten. Ermöglichen können Sie sich den jedoch nur selbst.

Mir wurde auf meinem ganzen langen Weg immermal wieder geholfen, wenn ich danach fragte. Und so helfe ich auch gerne Ihnen weiter, wenn ich kann. Klicken Sie einfach auf Sprecher-Tipps und dann sehen Sie die ganze Pallete rund ums Thema.

Ich bekomme oft Mails von Sprechwilligen, in den meisten Fällen schreibe ich auch detailliert mit viel Liebe zurück und nehme mir Zeit dafür. Und in den allermeisten Fällen höre ich dann nie mehr etwas vom Absender - auch kein Danke - an diesem Punkt ergänze ich die oben beschriebene Hartnäckigkeit gerne auch mit einer Prise Dankbarkeit für jeden kleinen Schritt.

Wenn Sie nur von mir hören wollen, dass Sie auch eine ganz tolle Stimme haben - dann rufen Sie besser bei der Auskunft an. Wenn ich Ihnen einen Job verschaffen soll - dann lesen Sie bitte hier erstmal alles durch; und es wird Ihnen klar: Ich habe keinen Job für Sie. Ich bin «Sprecher mit Studio» - nicht «Studio mit Sprecher».

Wann ist man denn eigentlich Sprecher?

Das können Sie für sich selbst definieren - es handelt sich hier rechtlich um keinen geschützten Berufsstand. Ich nannte mich erst nach etwa zehnjähriger Selbständigkeit «professioneller Sprecher». Sie können sich natürlich auch so nennen, bevor Sie den ersten Auftrag bekommen haben, das liegt in Ihrer Kehle. Dies gehört eben genau «zu Ihrem Weg» - auch wenn es nicht zu meiner Vergangenheit gehört.

Wo ein Wille, da ein Weg - glauben Sie an sich und Ihren Traumberuf, denken und fühlen und leben Sie diesen jeden Tag, und der Tag wird kommen und Sie haben Ihren ersten Job. Wille und Geduld sind gefragt - und das Wissen, dass man gut vorbereitet ist, wenn das Glück dann an die Türe klopft.

Wenn Sie konkrete Antworten auf Ihre konkreten Fragen haben möchten, melden Sie sich ungeniert bei mir. Oder lassen Sie andere Leser teilhaben und kommentieren Sie gleich hier.

Und sonst: Bereiten Sie sich vor, bis es klopft. Zum Beispiel so:

  • Grundwissen über den eigenen Stimm-Apparat und viel Wissenswertes bekommen Sie bei Hans Ruchti. Er ist ausgebildeter AAP-Coach, AAP bedeutet "atemrhythmisch angepasste Phonation" (auch wenn Sie das ohne Luft holen zehnmal nacheinander laut sagen können - gehen Sie trotzdem mal zum Ruchti.)
  • Die von Verbandsmitglied Christian Sollberger ins Leben gerufene Speech Academy findet im Tonstudio in Winterthur statt und bietet gar den Workshop "Professioneller Sprecher" mit Zertifikat an. Persönlich kenne ich die Kurse nicht. Bei allem Gelernten, bedenken Sie - wie bei jeder Ausbildung - dass "ein Fötzel" noch keine Jobs garantiert. Man aber meist etwas gelernt hat.
  • Sie möchten lieber erstmal in cognito Wissen sammeln? Obacht, seien Sie sich auch den Nachteilen der digitalen Zeit bewusst: Es gibt auch viel Seich. Da wird teilweise schlicht Falsches verbreitet, es tummeln sich viele Hobby-Sprecher (hab ich nix dagegen!) im Netz rum, die sich als Premium-Sprecher (hab ich was dagegen) geben. Informativ, korrekt und sympathisch empfinde ich beispielsweise Bill DeWees - da stimme ich vielem zu.

Aber wenn Ihnen sogar youtube gucken um zu Lernen viel zu anstrengend ist, und Sie eigentlich nur ein bisschen berühmt werden wollen: Werden Sie besser was anderes als Sprecher.

Ist Sprecher werden Zufall? Nein.

Braucht es auch Glück? Ja.

Hotel? Trivago.

Im Blog suchen nach:

Ähnliche Beiträge

Sanfter Sprecher für grosse Bilder

AEK Bank 1826