Ist ein professioneller Sprecher ein professioneller Lügner?
Weshalb der Sprecher lügen darf, und trotzdem nicht in die Hölle kommt.
Ist ein professioneller Sprecher ein professioneller Lügner?
Weshalb der Sprecher lügen darf, und trotzdem nicht in die Hölle kommt.
Eigentlich lügt der Sprecher nur, wenn er gefragt wird ob er eigentlich erkältet sei. Sonst verspricht er ja nur, was ihm jemand getextet hat. Selten erzähle ich Dinge dabei, hinter denen ich so überhaupt nicht stehen kann.
Und wenn mal doch ein Text zwischenflutscht, den ich so ganz freiwillig jetzt doch nicht ausgewählt hätte - dann hilft mir meine Haltung meiner Arbeit gegenüber. Für mich ist mein Beruf als Sprecher ein Rollenspiel. Jeder Text, jeder Auftrag, jede Produktion bucht nicht mich, sondern ausschliesslich meine Stimme. Und diese setze ich bei der Aufnahme als die gewünschte Rolle in Szene.
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Friedrich Schiller
Dies handhabt jede/r Sprecher/in anders - ich spreche hier für mich: Wenn ich nicht vor dem Mikrofon bin, spreche ich keine Rolle, sondern meine Gedanken und Gefühle. Das "Guet Nacht Schätzeli" bekommen meine Töchter anders zu hören, als ich dies für einen TV-Spot machen würde. Einige meiner Sprecherkollegen schlüpfen hingegen vor dem Sprechermikrofon nicht in die gewünschte Rolle - sie "sind" die Rolle. Einige leben auch privat als Sprecher, andere sind auch als Sprecher privat. Für mich hat all dies nichts mit verschiedenartiger Professionalität zu tun: Vielmehr glaube ich, dass am Schluss nur eines zählt: Der Take.
Und wenn dieser sitzt, darf ich danach auch weiterhin denken - oder gar öffentlich dazu stehen - dass es mir privat Schnuppe ist, ob der soeben beworbene Pressluft-Kompressor mit 300bar wirklich die 4500psi saugt. Sowas kann ich doch gar nicht wissen. Aber: Solange der Take sitzt, steh ich dazu.
Aber damit es im Studio schon gar nicht soweit kommt, dass ein professioneller Sprecher lügen muss, hilft es ungemein, im Vorfeld der Produktion einiges zu klären. So kann auch er selbst entscheiden, ob er als Dienstleister und das angefragte Projekt wirklich zusammenpassen.
Als mietmaul bespreche ich - fast - alles. Parteipolitisches, Religiöses, und sonstigen Schweinekram mit Risiken und Nebenwirkungen lehne ich jedoch seit ein paar Jahren ab. Und bin auch dankbar dafür, dass ich mir solch divenhaftes Verhalten als mietmaul überhaupt erlauben und leisten darf.
Weshalb es sich für jeden Sprecher lohnt, sein Portfolio zu pflegen, lesen Sie bald hier. Ungelogen.