Homeoffice für Sprecher

Survival-Kit für Slave-Aufnahmen

Homeoffice für Sprecher

Die direkten Virus-Auswirkungen treffen mich als Sprecher mit eigenem Tonstudio nicht. Die indirekten spüre natürlich auch ich - dass die Schweizer Wirtschaft stillsteht, diverse Produktions-Stopps verhängt und das "normale Leben" eingeschränkt wurde, macht auch vor meiner Aufnahmekabine nicht Halt.

Direkt von den Vorsichtsmassnahmen betroffen sind jedoch bspw. die grossen Tonstudios, auch hier in der Schweiz. Während alle Synchron-Ateliers in Deutschland bereits letzte Woche die Tore dichtmachen mussten, versuchen andere die Hygiene-Vorschriften bestmöglich einzuhalten. Verschiedene Studios haben angefangen, Ploppers nach jeder Aufnahme zu desinfiszieren und die Kopfhörer-Polster nach jedem Sprecher mit neuen Gazen-Stülpern zu überziehen.

So finden vermehrt Aufnahmen via Live-Link statt - so, dass die Sprecherin nicht mehr im Produktionsstudio vorbeigehen muss. Social Distancing über mehrere Kilometer - dank moderner Technik ist dies auch für uns Sprecher möglich. Früher via ISDN - seit einigen Jahren auch unkompliziert über verschiedene IP-basierte Möglichkeiten. Einige Sprecher, darunter auch ich, arbeiten seit längerem so - für andere Kollegen ist dies eine komplett neue und unbekannte Welt, da sie nach wie vor für jeden Job im gebuchten Tonstudio vorbeigehen - oder -gingen.

Auch von unserem Verband, der Vereinigung professioneller Sprecher Schweiz VPS/ASP wurde ich angefragt, ob ich für Neu-Einsteiger mit TIpps und Tricks zur Verfügung stehen könnte. Selbstverständlich. Jedoch bin ich der Meinung, dass es sich hierbei um temporäre Nothilfe handeln kann - nicht jedoch um eine fundierte, detailgetreue Dauerlösung.

Ich hüte mich, hier nun Tipps für eine professionelle Sprecherstudio-Umgebung zu geben. Dies benötigt nebst aufeinander und auf Ihre Stimme abgestimmtes Equipment auch eine Menge Erfahrung, die sich nicht einfach so mal eben aneignen lässt.

Um sich dennoch der Versuchung hingeben zu können, seine Dienstleistung nun neu auch "von Zuhause aus" anbieten zu dürfen und so auch in diesen Zeiten weiter die Möglichkeit für Sprecherjobs zu haben, hier die allernötigsten Tipps rund um Slave-Aufnahmen.

Sie als Sprecherin oder Sprecher

Fühlen Sie sich fit mit Technik, und haben Sie sich im externen Tonstudio auch schon mal etwas näher mit der Umgebung und der Arbeitsweise auseinandergesetzt? Falls nicht - lassen Sie es lieber bleiben.

Der Raum, in welchem die Aufnahme stattfinden soll

Davon ausgehend, dass Sie nicht innerhalb von wenigen Tagen einen kleinen Aufnahmeraum in Raum-in-Raum-Bauweise vor die Tür geliefert bekommen: Wohnen Sie in einer ruhigen Umgebung, oder sind Sie in einer Stadt und Dauerlärm ist Ihr Tagesbegleiter?

Wenn Sie Glück haben, verfügen Sie in der Wohnung, im Keller oder Estrich über einen ruhigen Raum, der bereits von Aussenlärm abgeschottet ist. Darin soll nun ihr temporäres Einschalt-Studio errichtet werden.

Der temporäre Aufnahmeraum für Ihre Live-Schalte

Wir unterscheiden zwischen Bau-Akustik und Raum-Akustik. Die Bau-Akustik bestimmt, wieviel Aussenlärm zu Ihnen und vors Mikrofon gelangt. Die Raum-Akustik beschribt die akustische Beschaffenheit innerhalb des Raumes - ist er hallig, klein oder gross, werden einzelne Frequenzen über- oder unterbetont, etc.

Ihr temporärer Aufnahmeraum sollte eine angenehme Raum-Akustik haben. Für Sprecheraufnahmen gerne trockener als bspw. für Band-Proben. Erreichen können Sie dies (und ich wiederhole mich: Es geht hier um eine temporäre Hepf-Chlepf-Lösung und keinesfalls um ein professionelles Tonstudio) mit porösem Absorbtionsmaterial an Wänden, Decke und Boden. Teppichboden ist ok, dicke Vorhänge tun ihr bestes und im Raum oder an den Wänden hingestellte Matratzen gehören hier zum Erste-Hilfe-Set. Sie können es gerne auch im Kleiderschrank probieren oder mit Kissen bestopfte Koffer rund ums Mik aufstellen.

Die Aufnahme- resp. Sende-Kette

Die chronologische Reihenfolge sieht nun so aus: Sprecher > Ploppschutz > Mikrofon > Audiokabel > Wandler oder direkt Rechner (Ihr PC oder Mac oder wasauchimmer) > via Internet ab zum Kunden.

Sie benötigen also: Eine trockene und ruhige Aufnahmeumgebung, ein anständiges Mikrofon mit Stativ und Ploppschutz, ein XLR-Kabel (ausser, Sie haben ein USB-Mik), bestenfalls einen Wandler des Signals (ausser, Sie haben ein USB-Mik), einen Kopfhörer und einen Rechner mit einem stabilen Internetzugang. Dies sind die absoluten Basics.

Für die Verlinkung von Ihrem Sprecherstudio zum Tonstudio empfehle ich Tim Proeglers Session Link Pro. Als "Lieferant" bekommen Sie von Ihrem Auftraggeber eine Mail mit Link, draufklicken, und mit wenigen Clicks sind Sie dann live im Tonstudio - als Slave sogar kostenlos. Dazu brauchen Sie noch nicht mal eine vollumfängliche und komplette DAW oder weitere Software, da die Verbindung über den Browser hergestellt wird.

Sofern lieferbar, empfehle ich bei geringster Investitionslust zumindest das HypeMiC von Apogee und ev. einen Reflexionsfilter, den Sie dann hinter dem Mik anbringen um raumakustische Ungereimtheiten zu reduzieren.

Sprechertipps vom Sprecher-Typ:

  1. Das Tonstudio, welches Sie gebucht hat, hat bestimmt kurz Zeit für eine Testschalte. So hört das Studio, ob die Aufnahme aus Ihrem Homeoffice qualitativ ausreichend ist - und Sie haben dann weniger Sorgen, wenn es ernst wird.
  2. Verkaufen Sie sich nach Einrichten des temporären Studiölis auf keinen Fall als "Sprecher mit professionellem Tonstudio". Dazu gehört weit mehr, als ein Sprecher-Homeoffice - wie Sie, sobald der Ausnahmezustand vorbei ist, spätestens bei Ihrem nächsten regulären Besuch im Tonstudio Ihres Vertrauens feststellen werden.

Ich arbeite seit Beginn meiner Selbständigkeit aus dem eigenen Studio. Qualitativ hochstehende Aufnahmequalität ist mir sehr wichtig. Gerne helfe ich Sprecherkollegen bei Fragen weiter - möchte abschliessend aber gerne zum x-ten mal festhalten: Es "kann" sein, dass Sie mit geringstem Aufwand eine anständige Slave-Schalte hinbekommen können - seien Sie sich aber bewusst, dass es sich bei oben Beschriebenem um eine Notlösung handelt und keineswegs um eine professionelle Tonstudio-Umgebung für Sprecheraufnahmen. Influencer- und Podcaster-Zeitalter hin oder her. Ihre Leistung und Ihre Kunden verdienen besseres, als ein auf Dauer eingerichtetes Larifari-Laferi-Studiöli.

PS: Weitere Sprechertipps vom Sprecher-Typ finden Sie hier.

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